23.05.2018, Mittwoch, 19:00 Uhr

Vortrag von Prof. Dr. Anke Bosse (Klagenfurt)

Der 'Orient' hat schon den jungen Goethe fasziniert und inspiriert: die Bibel und den Koran nahm er als herausragende Beispiele orientalischer Dichtkunst wahr und als Beleg dafür, dass Dichten ein allen Menschen eingeborenes Können ist - also ein Sprachen und Kulturen übergreifendes. Das war zeitlebens seine Überzeugung. Und so warf sich auch der alte 'nachklassische' Goethe "mit aller Gewalt und allem Vermögen nach dem Orient", als er 1814 die Gedichte des persischen Dichters Hafiz (14. Jh.) und das ihm Ähnliche für sich entdeckte. Über Zeit und Raum hinweg trat er in einen dichterischen Wettstreit, dem wir das weitaus größte Gedichtensemble im Gesamtwerk Goethes verdanken, den West-östlichen Divan. Er erschien erstmals 1819, vor 200 Jahren. Über das intensive Studium und die poetische Auswertung von über 100 Büchern begab sich Goethe auf eine imaginäre 'Orientreise", von der er seine Divan-Gedichte mitbrachte. Als 'Augenmensch' und Verfechter sinnlicher Anschauung übte er die Kalligraphie der arabischen Schrift und ließ seinen Divan mit einem orientalischen Titelkupfer verzieren. Und er verliebte sich in Marianne von Willemer, die unter der Maske "Suleika" im Divan nicht nur auftritt, sondern mitdichtete und mit-'orientalisierte'. Der West-östliche Divan hat Epoche gemacht - nicht nur wegen seiner gekonnt zwischen 'Westen' und 'Osten' oszillierenden Gedichte, sondern auch für sein Programm, das bis heute und bei jeder Divan-Lektüre wirkt: Brücken zu schlagen zwischen 'Orient' und 'Okzident', den 'Zwillingen'.

Eintritt frei


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