13.06.2018, Mittwoch, 20:00 Uhr
Vortrag von Prof. Dr. Peter Goßens, Ruhr-Universität Bochum

"Bitte keine sogenannte Weltliteratur!" wehrte die somalische Schriftstellerin Nadifa Mohamed 2014 einen Kritiker ab. Denn Weltliteratur ist für sie zu einem 'Pendant-Label' zu 'world music' geworden, "dem außerhalb des westlichen Kulturraums alles als 'exotisch' gilt". In diesem Sinne ist ein literarisches Werk, das im Kanon der Weltliteratur repräsentativ für die Kultur eines Landes steht, ausgesprochen problematisch. Weltliteratur lädt sie dazu ein, sich nicht mit dem Blick auf einige wenige Repräsentanten zu begnügen und die Vielfalt und dann die Verschiedenheit der Kulturen der Welt nur in wenigen Gipfeln im Gebirge der Weltliteratur zu erkennen. Sondern sich vielleicht auch nur in den weiten Tälern der literarischen Landschaft zu tummeln, die eben auch Teil des Gebirges sind: 'Goethe', schrieb Durs Grünbein, 'war später entsetzt über die Ausdehnung dieses Gebirges', und ist dennoch derjenige, der diesem Gebirgszug seinen Namen gegeben hat: 'Weltliteratur'.

Goethes Entwurf von Weltliteratur, sein Interesse an den zahlreichen Literaturen der Welt, hat die Vorstellungen dieses weltliterarischen Gebirges seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts nachhaltig geprägt. Bis heute werden der Begriff und sein Verständnis von zahlreichen Intellektuellen und Schriftstellern diskutiert: Autoren wie Durs Grünbein, Nadifa Mohamed oder Ilija Trojanow versuchen auf ihre jeweils eigene Weise, die Orte und die Ausmaße dieses Gebirges auf der Karte der Literaturen der Welt zu skizzieren. Oder eben, wie Mohamed, ein breiter angelegtes Konzept zu entwickeln.

Der Vortrag wird sich zunächst kurz der Entstehung und Entwicklung von Goethes Konzept zu Beginn des 19. Jahrhunderts widmen. Ausgehend davon werden die Äußerungen von Schriftstellern der Gegenwart betrachtet, die versuchen, Goethes Begriff auch für eine moderne Vorstellung von Literatur zu nutzen. Eine Konsequenz davon ist, die Frage nach dem Miteinander der verschiedenen Literaturen in der 'Welt der Weltliteratur' zu stellen. Denn, wie schon Erich Auerbach betonte: Auch wenn die Kulturen der Welt scheinbar immer ähnlicher werden, bezieht sich "Weltliteratur (...) nicht einfach auf das Gemeinsame und Menschliche überhaupt, sondern auf dieses als wechselseitige Befruchtung des Mannigfaltigen."

Eintritt frei


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