16.01.2019, Mittwoch, 20:00 Uhr
Vortrag von Prof. Dr. Helmut Schanze (Aachen/Siegen)

Eintritt frei

Am 18. April 1808 führt Goethe ein Gespräch im Salon der Johanna Schopenhauer. Er lässt sich abwertend über die "Imperatoren der Gelehrtenrepublik" aus – die "Romantiker" Ludwig Tieck, August Wilhelm und Friedrich Schlegel, der sich als "rückwärtsgewandter Prophet" versteht. Im Mai 1808 kommt F. Schlegel nach Weimar. Das Gespräch findet statt im privaten Ambiente des Gartens am Frauenplan. Einige Wochen aber später besiegelt Goethe den endgültigen Bruch mit dem Programmatiker der Romantik.

Vom 27. September bis zum 14. Oktober 1808 treffen sich in Erfurt die realen Imperatoren: Napoleon I., empereur des Français, Kaiser der Franken, und der russische Zar Alexander I. Goethe ist leitend an den Vorbereitungen beteiligt. Das spektakuläre Ereignis des Fürstenkongresses findet auf dem Schlachtfeld bei Jena statt, im Staatsgebiet seines Herzogs Carl August. Am 1. Oktober 1808 wird Goethe zum Lever ins Palais des Statthalters des ehemaligen Kurerzkanzlers geladen. Am 2. Oktober erhält er Audienz beim Kaiser.

Mehr als ein Jahrzehnt später verfasst Goethe zu dieser "wichtigen Epoche" eine Art "Aide Mémoire". Veröffentlicht wird es aus dem Nachlass unter dem Titel "Unterredung mit Napoleon". In der Tat geht es in der Aufzeichnung um einen fachlichen Diskurs, zwischen "Romantikern" im Wortsinn. Napoleon Bonaparte selbst hat um 1794/96 an einem Roman gearbeitet. Der "Werther" und Rousseaus "Nouvelle Heloise" sind seine Vorbilder. Die handschriftlichen Fragmente werden erst über 200 Jahre später zu einer " Love Story by Napoleon Bonaparte" zusammengefügt. Welche "Stelle" aus dem "Werther" der Kaiser im Gespräch mit Goethe "weitläufig und völlig richtig auseinander setzte", das wird das Geheimnis der beiden Autoren bleiben. Kann der "Dichter als Prophet" auftreten, wie Goethe aus den Gesprächen beim Lever festhält? Was meint der Kaiser mit der Frage "Warum habt Ihr das getan" und seinem Urteil "Das ist nicht naturgemäß", bezogen auf die Kunstgattung der romantischen Poesie? Wie verhalten sich "Natur" und "Kunst" in einer Zeit, in der – so Napoleon – "Politik" das "Schicksal" sei, und es nicht auf der Bühne, in den beliebten romantischen Schicksalsstücken zu suchen sei?

Im Frühjahr 1809 schematisiert Goethe die naturwissenschaftlich inspirierten "Wahlverwandtschaften". Noch im gleichen Jahr, hoch politisch durch die Niederlage des Kaisers von Österreich, dem Friedrich Schlegel seit 1808 dient, und den Friedensschluss von Schönbrunn, erscheint sein paradigmatischer "Roman" im Druck. Gibt Goethe damit indirekt eine praktisch-poetische Antwort auf "die Romantik" der literarischen "Imperatoren" und die Bemerkungen des Kaisers?


Teilen auf: